Donnerstag, Januar 31, 2008

Der 24-Stunden-Report, German Ed. (1): 17 Uhr

Na Logo: Wenn jemand mit Kreide über eine Tafel schrammt, fühlt sich das an, als würde uns jemand einen spitzen Stahlnagel in den Thalamus treiben. Inzwischen liebe ich es, selber die Kreide quietschen zu lassen. Ich komme mir dann immer unheimlich unverwundbar vor.

Spezielle Entwicklungsabteilungen in Antipastiproduktionsunternehmen haben Menschen wie mich als Bekehrungswürdige ins Visier genommen, um uns klar zu machen, dass auch wir den Schmerz zulassen müssen. Die Kreide schleift langsam, mein Schmerz kam jäh.

Ich kam nicht mal in die Lage, darüber nachzudenken, mich in Sicherheit zu wiegen, als ich wie mein Mitbewohner seine neue Salatkreation auf meinem Teller zurechtlegte: gewürfelte Gurke, Tomatenstücke, gebröckelter Feta, umspült von Zitronensaft mit Pfeffer und Salz, in dem Knoblauch gelöst war. Dazu süßes Naan-Brot nach indischer Rezeptur, frisch aus dem Toaster. Oliven positionierte ich daneben auf meinem Teller und in Weinblätter gefüllten Reis, den ich mir als einen der ersten Happen in meinem Mund schob. Ich plauderte mit meinem Mitbewohner, und ohne darüber nachzudenken, dass man kräftig kauen soll, schickte ich mich an, genau das zu tun: Zubeißen. Der Reis ließ sich davon beeindrucken und matschen. Der Kieselstein mit der Größe einer homöopathischen Pille entschied sich gegen Nachlässigkeit und stemmte sich in meinen Backenzahn.

Ich fühlte mich als wäre ich eine Schultafel, über die ein Rabauke mit roten Klinkerstein kratzt. Jetzt reicht weiches Fladenbrot, um mich schaudern zu lassen. Das Steinchen hat einen Zahnarzt imitiert und eine kleine Mulde in meinen Zahn gebohrt. Ein echter Dentist muss nun den Pfusch seines Hochstaplerkollegen wieder in Ordnung zu bringen.

Kann ich, wenn ich nachweise, dass der Kiesel wie die Weinblätter aus dem türkischen Bursa kommt, die Reparaturkosten für meinen Zahn an den Fabrikanten der Antipasti-Spezialität schicken? Warum behaupten heute Menschen, sie hätten früher, als sie ganz schlimm Hunger hatten, immer auf Kieselsteinen lutschen müssen? Ich kann keinen kulinarischen Nutzen entdecken, wenn ich mir meinen persönlichen Überraschungskiesel, den ich unglücklich nach seiner Attacke aus dem Reismatsch zwischen meinen Zähnen retten konnte, auf die Zunge lege. Er ist wohl noch zu klein.