Mittwoch, April 15, 2009

Ich laufe jetzt nicht mehr selbst – ich lasse laufen

Ich weiß gar nicht mehr, wie das kam, dass Timo mich mit zum Reiten nahm. Freundschaft war vermutlich der primäre Grund, der zweite: Neugier, der dritte: Die glorreichen Sieben. Wenn ich bislang mit Leuten übers Reiten sprach, dann waren es immer unsere zwei Ausflüge zu einem Reiterhof in Logabirum, die mir in den Sinn kamen. Und trotz des leichten Schreckens, den sie mit sich brachten, sitze ich jetzt in einem Bett, das zu einem Reiterhof in Irland gehört. Hier mache ich gerade Working Holidays, die mit Holidays gehörig wenig zu tun haben. Und – ich greife vor – ich sitze hier auf Pferden, die meistens nicht nur in der Landschaft herumstehen, sondern auch darin laufen, schreiten, traben, galoppieren, meist mit mir obendrauf. Davon hätte ich höchstens zu träumen gewagt nach meinen Erlebnissen mit Timo und meinem ersten Leihpferd.

Ich war ungefähr neun. Mit dem Fahrrad zum Reiterhof zu fahren, war allein schon aufregend. So weite Strecken selbstständig hinter mich zu bringen, war ich nicht gewohnt. Das waren bestimmt zwölf Kilometer oder so. Oft mit Gegenwind – auf dem Hin- und dem Rückweg.

Ich weiß noch, dass Timo ein super Voltigierer war. Zumindest hat er an Wettbewerben teilgenommen. Und wohl deswegen durfte er sich einfach Pferde für einen Ausritt ins Grüne ausleihen und musste nicht im Kreis durch die Arena marschieren. Es war auch kein Thema, dass ich als Reitunkundiger auf so einem Ausflug mitkam. Bronko hieß mein Pferd, ein Name, der für meinen Geschmack zu sehr nach Gemüse klingt, um eines edlen Rosses würdig zu sein.

Zwei Gründe, die dafür sprechen , nach meiner Reiterfahrung mit Bronko nie wieder auf ein Pferd zu steigen:

1. Kurz nach dem Losreiten, vermutlich beim zweiten Besuch in Logabirum, fiel ich von Bronko herunter. Ich geriet so ins Gras, in knapper Entfernung einer Hausmauer, gegen die ich auch problemlos hätte knallen können. Ich tat das nicht, weiß aber spätestens seitdem, dass Pferderücken nicht nur optisch einen wesentlich höheren Abstand zum Boden aufweisen als mein Fahrradsattel. Und mein Fahrradunfall, der mir mein Untergebiss durcheinander haute, war schon schlimm.
2. Als Timo mit seinem Pferd in den Trab ging, rannte Bronko hinterher. Mit der Folge, dass ich wie blöde im Sattel hoch- und runterhüpfte und feststellen musste, dass ich keine Kontrolle über das Pferd hatte. Timo stoppte mein Pferd und rettete mich (danke nochmal dafür!) vor dem erneuten Runterplumsen und einem vorzeitigen Verlust der Gradheit meines Untergebisses, das ja erst ein paar Jahre später beim Fahrradunfall seine endgültige Form gewinnen sollte. Seit diesem Vorfall vertrat ich mit festem Glauben die These vom Alphapferd, das die Herde führt, so wie Timos Pferd das meine in den Trab gebracht hat.

Und trotzdem: Ich bin jetzt in Irland, bewohne ein Zimmer mit quietschendem Bett und meiner Freundin Johanna, die darin neben mir liegt und die Ursache für meinen Weg hierhin ist. Vier Wochen war sie schon hier, bevor ich nachkam. Ich nahm den Ryanair-Flieger (schrecklich: diese gelben Sitze) von Weeze nach Shannon, den Bus vom Flughafen nach Limerick Bus Station, von dort den Bus nach Abbeyfeale. Gegenüber dem Spar-Markt (gibt’s die eigentlich nur noch außerhalb von Deutschland? Nee, oder? Ich hab im Rheiderland auch mal wieder einen gesehen, ist aber schon länger her), also: gegenüber vom Spar-Markt bin ich ausgestiegen, dann zum Tesco-Markt gelaufen, dann da Süßigkeiten gekauft, dann bei der Familie Fitzgerald angerufen. Leona ist eine Tochter des Hauses, die mich abholte und erst mal Futtersäcke für die Hühner kaufte und zusammen mit dem Verkäufer in ihren Peugout donnerte, in dem ich saß und darüber staunte, wie selbstverständlich das Volk der Iren auf der falschen Seite fährt und die Gangschaltung mit links bedient.

Und das war erst der Anfang. Wie nur sollte nin einem Land, in dem Autofahrer links in Kreisel hineinfahren, die mit „Yield“ beschriftet sind, die Pferde ordnungsgemäß funktionieren? Ich sollte es bald erfahren …