Tränen nach der Blattkritik
"Ich mag keine Bäume. Von denen fliegen immer so Pollen herum, und dann krieg ich Allergie." Mit Generalkritik an unseren hölzernen Freunden habe ich wahrlich nicht gespart, als mir einst ein HNO-Arzt und Allergologe mit Namen Eberhard meine Abneigung gegen die Blattträger, genauer: Birken, und außerdem Gräser und Roggen diagnostizierte. Er verschrieb mir eine langjährige Hypodesensibilisierung - die Spritzenkur, die mir Gewöhnung gegenüber den Allergiestoffen verschaffen sollte.
Gut zehn Jahre später stehe ich unmittelbar davor, mich wieder untersuchen zu lassen, auf meinen Geisteszustand. Seit kurzem bin ich in einem Stadium, in dem ich den Anblick von Bäumen toll finde. Dabei kann ich keine Buche von einer Eibe unterscheiden, keinen Ahorn vom Holunder. Nur eben Birke kann ich, Kastanie und mitunter Eiche.
Bin ich mit dem Rad unterwegs oder mit dem Auto - egal: ich bremse, steige ab oder aus und harre verliebt dessen, was der herrliche Baum, den ich soeben gesichtet habe, wohl tun wird. Naturgemäß tut er gar nichts, allerhöchstens schwingt der Holzlieferant mitleidig seine Wipfel. Da könnte ich Stunden davor stehen. Tue ich aber nicht. Ich kriege meine Allergie, fahre mit verheultem Gesicht nach Hause. Meiner Mutter sage ich immer, die bösen Pollen hätten mir die Augen verquollen. Ist aber gelogen; rührte mich doch die schonungslose Anmut von Mutter Natur an.
Vom Baum
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