Montag, März 22, 2010

Was passiert, wenn Zitierer sich auf Zitierer verlassen

Ich habe relativ früh im Studium gelernt, dass ich Zitate in Forscherveröffentlichungen unbedingt zu prüfen habe, wenn ich sie denn in meinen wissenschaftlichen Texten verwenden möchte. "zit. nach xy" zu schreiben, sei kein allzu sauberes Arbeiten und nur okay, wenn das Primärwerk nicht erreichbar sei. Für mich bedeutet das elendes Recherchieren, Bücherschleppen, das entsprechende Zitat rauszusuchen und mitunter zu begreifen, dass es aus dem Zusammenhang gerissen wurde. Für mich bedeutet die Sucherei merklichen Zeitverbrauch, und trotzdem lohnt sich's, weil es mich auf neue Fährten bringt.

Und bei allem Stress, den das Zutagefördern von Zitaten mit sich bringt - ich kann zumindest sagen: Ich halte mich meistens an den Kodex des Primärzitate-Suchens. Wohl gerade deswegen ärgere ich mich, wenn andere das nicht tun. Momentan lese ich einen Artikel von Ursula Apitzsch - "Biographieforschung und interkulturelle Pädagogik" - und bin auch durchaus angetan von dem Text. Nur: Da gibt es offenbar ein Problem mit einem Primärzitat. Apitzsch schreibt in einer Passage von der frühen Chicagoer Schule, die u.a. mit der Wiedergabe von Biographien von Einwanderern zeigen wollte, dass die Aufnahmegesellschaft damals oft wenig offen auf die Neuen reagierte und an ihren Traditionen festhielt (ein Bild, das sich nur bedingt gewandelt haben dürfte). Dann verweist sie auf ein Zitat von Robert E. Park, Vertreter besagter Chicagoer Schule, und leider fehlen die Anfangs-Anführungszeichen, so dass ich nicht genau weiß, wo das Zitat beginnt - vermutlich hier:

Die Krisenerfahrung der marginalen Situation, die zur Auflösung der Gewohnheiten, des ,cake of custom‘ ... führt, hat eine befreiende Wirkung auf das Individuum, das die Hemmungen konventioneller Denkweisen zu überwinden vermag“ (Park zit. n. Lindner 1990, S. 212)

Einziges Manko: Das Zitat, das Apitzsch bei Linder gefunden hat und von ihm zitiert, ist allem Anschein nach gar keine eigene Aussage von Park, sondern es scheint sich um eine Passage zu handeln, die Park selbst zitiert hat. Dieser greift in zwei Artikeln ("The Nature of Race Relations", 1939, und "Human Migration and the Marginal Man", 1928) auf eine Aussage von Frederick J. Teggart zurück, der laut Park - und da muss ich selbst jetzt wiederum gestehen, dass ich nun auf seinen Text als Sekundärquelle verweise - in "Theory of History" (1925, S. 196) schreibt:

The overexpression of individuality is one of the marked features of all epochs of change. On the other hand, the study of the psychological effects of collision and contact between different groups reveals the fact that the most important aspects of ‘release’ lies, not in freeing the soldier, warrior, or beserker from the restraint of conventional modes of action, but in freeing the individual judgement from the inhibitions of conventional modes of thought.

Das Sekundärzitat habe ich entdeckt in Parks "The Nature of Race Relations" (Wiederabdruck in "Race and Culture" 1950, S. 97). Ich habe absichtlich einen großzügeren Ausschnitt des Zitats gewählt, weil ich mich frage und dazu Antworten erhoffe:
- Was hat Lindner da genau zitiert? Ich kann vom Kuchen der Gewohnheit in dem Zitat, von dem ich vermute, das es das Ausgangszitat darstellt, nichts entdecken. Den "cake of custom" finde ich bei Park in einem anderen Text ("The Problem of Cultural Differences" Park 1950/1931, S. 11) in dem er auf einen Bagehot als Verwender dieser Wortschöpfung rekurriert.
- Kann ich jetzt, da anscheinend auch andere Wissenschaftler Sekundärzitate nutzen, die, um es vorsichtig zu formulieren, leicht in die Irre führen, leichtfertiger mit der Zitirerei umgehen? Es wäre eine irre Erleichterung.

Montag, Juli 13, 2009

Der ominöse Fehler 203

Heute hab ich mir Firefox Version 3.5 installiert. Vorher mit MozBackup alle Daten der alten Version inklusive Add-Ons gesichert.
Als ich dann XMarks das feine Programm zum Sichern meiner Booksmarks - suchte, war's verschwunden. Stand zwar noch unter meinen Add-Ons, ließ sich aber nicht aktivieren. Ich hab auch versucht, es noch mal zu installieren. Ging nicht. Firefox meldete Fehler 403 und empfahl, in der Fehlerkonsole nachzugucken. Das half mir nicht weiter. Dann fand ich folgenden Beitrag im Forum: "Fehler 203, Erweiterung lassen sich nur teilw. installieren". Die Lösung für mich stand irgendwo unten im Text - einfach folgende Dateien im Profilorder für Firefox löschen:

extensions.ini
extensions.cache
extensions.rdf

Alle Add-Ons tauchten nach dieser Maßnahme wieder an ihren alten Stellen auf und funktionierten. Wunderbar!

Danke JonHa und mozillazine.org.

Mittwoch, April 15, 2009

Ich laufe jetzt nicht mehr selbst – ich lasse laufen

Ich weiß gar nicht mehr, wie das kam, dass Timo mich mit zum Reiten nahm. Freundschaft war vermutlich der primäre Grund, der zweite: Neugier, der dritte: Die glorreichen Sieben. Wenn ich bislang mit Leuten übers Reiten sprach, dann waren es immer unsere zwei Ausflüge zu einem Reiterhof in Logabirum, die mir in den Sinn kamen. Und trotz des leichten Schreckens, den sie mit sich brachten, sitze ich jetzt in einem Bett, das zu einem Reiterhof in Irland gehört. Hier mache ich gerade Working Holidays, die mit Holidays gehörig wenig zu tun haben. Und – ich greife vor – ich sitze hier auf Pferden, die meistens nicht nur in der Landschaft herumstehen, sondern auch darin laufen, schreiten, traben, galoppieren, meist mit mir obendrauf. Davon hätte ich höchstens zu träumen gewagt nach meinen Erlebnissen mit Timo und meinem ersten Leihpferd.

Ich war ungefähr neun. Mit dem Fahrrad zum Reiterhof zu fahren, war allein schon aufregend. So weite Strecken selbstständig hinter mich zu bringen, war ich nicht gewohnt. Das waren bestimmt zwölf Kilometer oder so. Oft mit Gegenwind – auf dem Hin- und dem Rückweg.

Ich weiß noch, dass Timo ein super Voltigierer war. Zumindest hat er an Wettbewerben teilgenommen. Und wohl deswegen durfte er sich einfach Pferde für einen Ausritt ins Grüne ausleihen und musste nicht im Kreis durch die Arena marschieren. Es war auch kein Thema, dass ich als Reitunkundiger auf so einem Ausflug mitkam. Bronko hieß mein Pferd, ein Name, der für meinen Geschmack zu sehr nach Gemüse klingt, um eines edlen Rosses würdig zu sein.

Zwei Gründe, die dafür sprechen , nach meiner Reiterfahrung mit Bronko nie wieder auf ein Pferd zu steigen:

1. Kurz nach dem Losreiten, vermutlich beim zweiten Besuch in Logabirum, fiel ich von Bronko herunter. Ich geriet so ins Gras, in knapper Entfernung einer Hausmauer, gegen die ich auch problemlos hätte knallen können. Ich tat das nicht, weiß aber spätestens seitdem, dass Pferderücken nicht nur optisch einen wesentlich höheren Abstand zum Boden aufweisen als mein Fahrradsattel. Und mein Fahrradunfall, der mir mein Untergebiss durcheinander haute, war schon schlimm.
2. Als Timo mit seinem Pferd in den Trab ging, rannte Bronko hinterher. Mit der Folge, dass ich wie blöde im Sattel hoch- und runterhüpfte und feststellen musste, dass ich keine Kontrolle über das Pferd hatte. Timo stoppte mein Pferd und rettete mich (danke nochmal dafür!) vor dem erneuten Runterplumsen und einem vorzeitigen Verlust der Gradheit meines Untergebisses, das ja erst ein paar Jahre später beim Fahrradunfall seine endgültige Form gewinnen sollte. Seit diesem Vorfall vertrat ich mit festem Glauben die These vom Alphapferd, das die Herde führt, so wie Timos Pferd das meine in den Trab gebracht hat.

Und trotzdem: Ich bin jetzt in Irland, bewohne ein Zimmer mit quietschendem Bett und meiner Freundin Johanna, die darin neben mir liegt und die Ursache für meinen Weg hierhin ist. Vier Wochen war sie schon hier, bevor ich nachkam. Ich nahm den Ryanair-Flieger (schrecklich: diese gelben Sitze) von Weeze nach Shannon, den Bus vom Flughafen nach Limerick Bus Station, von dort den Bus nach Abbeyfeale. Gegenüber dem Spar-Markt (gibt’s die eigentlich nur noch außerhalb von Deutschland? Nee, oder? Ich hab im Rheiderland auch mal wieder einen gesehen, ist aber schon länger her), also: gegenüber vom Spar-Markt bin ich ausgestiegen, dann zum Tesco-Markt gelaufen, dann da Süßigkeiten gekauft, dann bei der Familie Fitzgerald angerufen. Leona ist eine Tochter des Hauses, die mich abholte und erst mal Futtersäcke für die Hühner kaufte und zusammen mit dem Verkäufer in ihren Peugout donnerte, in dem ich saß und darüber staunte, wie selbstverständlich das Volk der Iren auf der falschen Seite fährt und die Gangschaltung mit links bedient.

Und das war erst der Anfang. Wie nur sollte nin einem Land, in dem Autofahrer links in Kreisel hineinfahren, die mit „Yield“ beschriftet sind, die Pferde ordnungsgemäß funktionieren? Ich sollte es bald erfahren …