Donnerstag, April 26, 2007

Ausgerissen

Im Vorwort zur deutschen Ausgabe von Pierre Bourdieus "Die feinen Unterschiede" *, ein Buch, das in den Blick nimmt kulturelle Gewohnheiten und Verhaltensweisen und jene in Verbindung setzt zu ökonomischen und sozialen Entstehungsbedingungen wie auch sozialen Funktionen, nun, in dem Vorwort dieser Kritik, die das Wort vom "kulturellen Kapital" in den Mund zu nehmen sich nicht scheut, hat ein Spaßvogel auf Seite 15 einen Satz eingeschleust, in dem er augenscheinlich den oft gescholtenen Bau gefühlt unendlicher Wortketten — deren Glieder mal Aufmerksamkeit tötenden Barbaren gleichen, während ihre Nachbarn mondän daherkommen, aber unberührbar bleiben — bissig kommentiert, gleichwohl rücksichtslos eben jenes, das er tadelt, selbst tut:

"Der Stil nun, der Gefahr läuft, durch seine langen verwickelten Sätze selbst den gutmütigsten Leser zu verprellen, tatsächlich doch in seinem Aufbau die komplexe Struktur der sozialen Welt wiederzugeben sucht, und dies mittels einer Sprache, die Disparates zu einer — in sich zugleich durch seine rigorose Perspektive hierarchisierten — Einheit fügt, verdankt sich dem Willen, die traditionellen Normen des Ausdrucks aus Literatur, Philosophie und Wissenschaft so weit wie möglich auszuschöpfen, um auf diese Weise nicht nur Dinge zu Wort kommen zu lassen, die bislang daraus de facto oder de jure verbannt waren, sondern auch jedes Abgleiten der Lektüre in die Vereinfachungen des weltläufigen Essayismus und der politischen Polemik zu hintertreiben."

Der Faxenmacher, der hier auf Vortrefflichste einen Satz schreibt, in dem er den Inhalt zum Rendezvous mit der Form zwingt, ist Pierre Bourdieu.

* Erste Ausgabe 1982, Suhrkamp Verlag, Frankfurt am Main

4 Kommentare:

Anonym hat gesagt…

Den Herrn Bourdieu lese ich ja auch gerade hehe

Ulrike hat gesagt…

aber dafür lieben wir ihn doch, den herr bourdieu (sagt die goffmanianerin, die nur auf unterhaltende soziologie steht)??!

Johnny3000 hat gesagt…

Hm... Ulrike, da fällt mir gerade auf, Namedropping kann er auch, der Herr Pierre Bourdieu. Ich zitiere (S. 11 aus besagtem Buch) einen Satz üblichen Ausmaßes:
"Gleichwohl wäre es meiner Überzeugung nach falsch, das hier über die sozialen Gebrauchsweisen von Kunst und Kultur Gesagte als bloße Beschreibung des Pariser Kuriosen- und Frivolitätenkabinetts abzutun; und wäre es nur aus dem einen Grunde, daß der Pariser Lebensstil — wie mir unlängst noch Erving Goffman bestätigte — weiterhin und über den engen Kreis der Snobs und des kulturellen Jet-set hinaus seine Faszination ausübt, ihm derart eine gewisse Universalität sichernd."

Ulrike hat gesagt…

namedropping ist doch gerade bei souiologischen sachen immer ganz wichtig. ich bin ziemlich sicher, dass die alle ihr kleines schwarzes *marke*büchlein nur mit namen gefüllt haben. und bei gesprächen wird das buch im geiste aufgeschlagen (oder heimlich unterm tisch) und der name genannt, der gerade aus dem buch dropt. daher auch der name.