Nicht einfach Ade!
Früher hab ich Briefe einfach angefangen mit "Sehr geehrte Damen und Herren", am Ende schrieb ich "Mit freundlichen Grüßen". Das war kurz nachdem ich meine erste Postkarte an meinen Onkel auf einem Extrazettel vorgeschrieben hatte, damit meine Mutter meinen Schreibversuch auf die Rechtschreibung hin untersuchen konnte. Es war etwa in der Zeit, in der ich inflationär Briefe an Konsulate oder Botschaften schickte. Noch heute mögen in den Archiven der Vertretungen Dänemarks, der Niederlande, Italiens und Spaniens - diese Auswahl habe ich mir gerade ausgedacht, in Wirklichkeit waren es so viele und beliebige Länder, dass ich mich nicht mehr erinnern kann - noch meine liebevoll und serienweise in Schreibschrift abgefassten linierten Papierbögen aus den Archiven quellen und ihrem Finder direkt nach der Höflichkeitsfloskel mitteilen: "Ich interessiere mich für Ihr Land. Bitte senden Sie mir nähere Informationen über Ihren Staat. Mit freundlichen Grüßen".
Heute weiß ich, dass es noch mehr Floskeln gibt. Ich kann den Singular benutzen ("Mit freundlichem Gruß"), ich kann etwas wegwerfend "Mit bestem Gruß" hinterherschicken, ich kann einen kargen "Gruß" in die Tastatur hacken, um ihn im nächsten Brief, stimmt: heute ist es ja wohl eher eine E-Mail, zu "Viele Grüße" zu multiplizieren. Ich kann meiner Abschiedsformel Attraktivität attestieren ("Schöne Grüße"). Freilich kann ich hektisch oder jovial abkürzen, entsprechend der Vorliebe auch klein geschrieben: "MfG", "VG", "LG" usw., wobei letzteres Akronym für manchen wegen der computerüberbrückten Distanz eine Umarmung ersetzt und für andere nicht mehr ist als viele Grüße.
Steigern geht überdies fast immer, also "allerliebste", "allerbeste" und - warum nicht? - "allerfreundlichste Grüße". Der Schreiber muss diese Vorsilbe aber behutsam verwenden, sie kann beim Empfänger ironisch ankommen. Nüchtern richtet sich hingegen meine Universitätsbibliothek bei den automatischen Hinweisen auf Rückgabetermine bankhalterisch-schweizerisch "Mit freundlichen Gruessen" an mich.
Die vermeintliche Vermeidung von Phrasen geht auch, etwa, wenn das nächste Treffen feststeht: "Bis morgen" (bei Briefen musste vor so einer Ankündigung noch akkurat gerechnet werden und auf ordnungsgemäß Zustellung vertraut). Ich gebrauche hin und wieder auch das implizit mit Gottesbezug ausgestattete "Tschüs" und das importierte "Cheers", das mich bei jedem Mal Schreiben wieder und wieder in feierliche Laune versetzt. Es könnte mein nur noch selten gebrauchtes "Venlig Hilsen" überleben - "À bientôt" ist im Moment bei mir ausgestorben, "Greetz" geht manchmal, "Servus" war bei mir jahrelang Mode - demnächst könnte sich "Adiós" (hier fällt die Empfehlung, mit Gott gehen zu sollen, schon mehr auf) in meiner Schlussformelhitparade nach vorne setzen.
Spürbar ist die Macht, die in den Endworten von Briefen, Notizzetteln und E-Mails transportiert wird. Immer, wenn mir ein Bundespräsident postalisch "liebe Grüße" bestellt, zögere ich, ihn ebenso zu herzen. Beste Freunde in Zwist verpassen einander seelische Knackse, indem sie bisher "liebe" zu "beste Grüße" degradieren (wann wurde eigentlich der Vorläufer "gute Grüße" abgeschafft?).
Zweifelhaft ist, ob wirklich jeder seinen Abschlussworten Bedeutung beimisst. Eine Frau im Radio kritisierte gestern sogar, dass das viele elektronische Hin- und Hergeschreibe zum Wegfall jeglichen Grußes geführt hat. Einzig der Name des Schreiber markiert dann vielleicht noch den Abschied.
Jörg
1 Kommentar:
ich mag "cheerio". Das hatten wir mal in der 7. Klasse im Englischunterricht...
Also, Cheerio und frohe besinnliche Adventszeit.
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