Dienstag, März 27, 2007

Der 24-Stunden-Report (8): 9 Uhr

Warum bin ich nur nach Dänemark gegangen? Weil ich das Land kannte? Meine letzte Urlaubserfahrung endete damit, dass ich mit meinem Fiesta einen kaputten Subaru 60 Kilometer außer Landes ins sichere Deutschland schleppte, wo der ADAC-Engel das gerissene Kupplungsseil in zehn Minuten gegen ein Provisorium austauschte. Wegen der Däninnen? Niemals vor meiner Herkunft habe ich mit einer einheimischen Staatsangehörigen gesprochen, abgesehen vom "Tak!" gegenüber der Kassierin im Shop am Urlaubsdomizil. Wegen der Sprache? Ja. Nein, nicht wegen Dänisch - wegen Englisch. Ausländer, die nach Roskilde, Kopenhagen, Aarhus kommen, um zu studieren, müssen die Landessprache nicht können, Englisch reicht.
Das Resulat dessen: Ich, der in einem Seminar sitzt, das in Dänisch abgehalten wird. Thema ist das narrative Interview, ein Konzept aus deutschen Landen von Fritz Schütze. Im Seminar lohnt sich zur Illustration der Methode durchaus ein Blick auf ein Gesprächsprotokoll - zu dem ich wegen meiner Sprachbarriere allerdings nichts zu erzählen weiß.
Ich habe eine Dolmetscherin, und der Dozent gibt zuweilen englische Zusammenfassungen. Er erwähnt Melanies und mein Forschungsthema "Deutsche Arbeiter in Dänemark" und mit wem sich da ein narratives Interview sinnig sei.
Melanie ist meine Bielefelder Kommilitonin. Wegen ihr und mir hat der Dozent letztes Mal sein Seminar auf Englisch organisiert. Jemand habe darum gebeten, diesmal auf Dänisch vorzugehen, erzählt er zu Beginn dieser Sitzung. Ich sage, das sei okay. Ich bitte meine Sitznachbarin um Übersetzungshilfe und von nun an frage ich alle paar Minuten: "What are they talking about now?", "What has he said?", "What do svar, svagheder and forbindelse mean?" - "Answer", "weaknesses" und "connection" flüstert sie mir nach und nach zu, wodurch ich von der gerade laufenden Diskussion abgelenkt werde. Zu der kann ich zwei Mal etwas beisteuern, einmal wegen der persönlichen Erwähnung durch den Dozenten, einmal weil ich rasch genug eine Übersetzung zu einer vorigen Äußerung bekommen habe.
Ich hab den Eindruck, ich bin nur unzureichend integrationswillig. Wandere in ein Land ein und meine dann, die Leute da müssten so sprechen, dass ich sie verstehe. An der Uni Bielefeld gibt Pädagogik-Professor Hans-Uwe Otto im neuen Semester ein Seminar auf Englisch, alle anderen Veranstaltungen an der Fakultät sind auf Deutsch. Die Bielefelder Fakultät hat mehrere hundert Studenten und will sich mit der Einführung von Bachelor und Master internationalisieren. Am Institut hier in Roskilde hab ich nicht mehr als 40 Pädagogikstudenten gezählt, angehende Bachelors und Masters zusammengenommen, und die haben noch ein Zweitfach neben Pädagogik und Psychologie.
Für seine vier internationalen Studenten aus Spanien und Deutschland hat das Institut for Psykologi og Uddannelsesforskning indiduelle Semesterpläne geschnürt. Ich besuche die Seminare nicht durchgängig, sondern immer spezielle Sitzungen, und die werden dann auf Englisch abgehalten.
Mit einer Ausnahme, die mich taub und fast stumm macht. Ich bin zu sehr damit zugange, nach Worten zu grapschen, die Deutsch klingen - wie soll ich da aufmerksam zuhören?
Mein Dozent ist sichtlich betrübt, dass das Seminar mir Rücksicht auf die Mehrheit dänisch ablaufen musste. Die Studenten wollten über ihre Erfahrungen mit der besagten Methode reden, da wäre Englisch eine ziemliche Schranke gewesen. Wäre ich Präsident einer großen Nation, sagte ich jetzt vielleicht: Ich sehe das als Herausforderung.
Weil durch wenig ausgeprägten Patriotismus mental wenig Nation hinter mir steht, und ich noch nie von einem Präsidenten gehört habe, der einen Sprachkurs besucht hat, um ein internationales Anliegen zu bewältigen, ist meine Haltung anders gelagert. Phantastische Träumereien wie Dänisch lernen in nur fünf Monaten sind ungleich schwerer umzusetzen als einen US-Kongress mit republikanischer Mehrheit zum Einmarsch in den Irak zu überzeugen. Aber ich war noch nie Präsident, ich bin da nicht so firm.
Doch zurück zum Seminar: Außer dem hatte ich in diesen Tagen vier bewegende Spracherfahrungen:
- Beim Volleyballnachmittag in der Turnhalle nahe dem Campus hörte ich einen Eingewanderten Dänisch schwatzen mit einem Einheimischen. Ich hab ihn vorher als Franzosen mit entsprechendem Akzent beim Englischsprechen wahrgenommen. Jetzt bin ich komplett beeindruckt, hab vorher aus irgendwelchen Gründen, das pauschale Urteil mit mir herumgetragen, Franzosen sprächen gewissermaßen naturgemäß nie und nimmer Dänisch.
- Eine polnische Kommilitonin fragte mich und einen anderen Deutschen, ob sie auf unserer gemeinsamen Radtour von einem Partystandort nach Hause zum Campus ihre Ohrhörer einstöpseln solle. Wir erklärten, es bestünde dafür keine Veranlassung, weil wir Englisch sprächen und Deutsch nur für auf Englisch Unaussprechliches einsetzen würden, wie wir es Sekunden zuvor bei einem Gespräch taten, das den Namen eines Volkswagen-Modells beinhaltete. Wir hielten uns an unsere Beteuerung.
- Minuten zuvor hatten der Deutsche und ich der Bitte zweier Italienerinnen stattgegeben, unsere Konversation in unserer Stammsprache fortzusetzen, - sie sprächen schließlich Deutsch. Wir öffneten die Büchse der Pandora: Flugs stand ein weiterer Italiener mit Deutschkenntnissen in unserer Runde, ein Österreicher passierte uns, eine Deutsche sagte Tschüss und wenig später fanden mein Landsmann und ich uns wieder im Gespräch mit einem Neuseeländer - natürlich auf Deutsch.
- Wozu bin ich eigentlich hier?
[Translation] I am sitting in a class and it's completely in Danish. Well, not completely. There is one girl next to me translating what the teacher says. And the teacher gives brief summaries on what he has just said. Main topic of the class on this day is the "narrative interview" developed by Fritz Schütze - right: He is a German researcher and therefore it is quite weird to hear his ideas in Danish.
It is my first class in Danish. At the beginning of the lesson the teacher asked me whether it would be okay to hold the class this time in Danish. I said: "Yeah, that's okay", slighly aware of the differences this appointment could breed.
At last I had contributed two statements to the other students since first, the teacher had mentioned my project topic as an exampel, and second, I had asked my translator fast enough to give me the statement of one girl during a discussion. It's a funny feeling to argue in English when you don't understand the Danish answer.
And still: I have got the impression I am not willing to be integrated into Denmark because I travel hither and I demand from the locals to speak in a way by which I can understand them. I didn't visit a Danish course until I came to Roskilde.
And now let's have a glimpse on my faculty at the University of Bielefeld: There is one single course in English - all the other courses are in German. Hundreds of students study at my faculty, here at my department at the University of Roskilde I have never located more than 40 students.
My teacher is rather sorry about my current situation. Students had asked him beforehand to work in Danish this time since it would be easier for them to present their experiences. And whereas they are arguing I examine the projected slides next to the blackboard - I get a pretty good feeling that I am getting better and better in reading Danish. And when I'm unsure I just ask the friendly girl that sits next to me.

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