Montag, März 05, 2007

Ränkespiel im Schnee

Neulich habe ich entschieden, dass so bald kein neuer Schnee auf Dänemark niedergehen soll. Doch mein einstimmiger Beschluss war wirkungslos. Schon einen Tag später ließ der Himmel frische Flocken herabschweben, mit für mich unangenehmen Folgen (siehe Bericht vom 23.02.07).
Was mir nicht klar war: Meine Willensbekundung hatte von Anfang an keine Chance. Denn sie war nicht durch das aktuelle dänische Gesetz gedeckt. Seit Jahrzehnten streiten die Parteien des skandinavischen Südstaats über Einführung und Abschaffung des Schnees. So wurde gerade in diesen Tagen die Entscheidung zum Erwerb von neuen Schnee gekippt, mit der Folge, dass nur noch alte an den Straßenrand gekehrte Reste vor sich hin tauen und mickrige Schneefelder sich in Wäldern verstecken, um zu überleben.
Das jahrelange Gezerre um das "weiße Gut", wie Befürworter den Schnee nennen, lässt früher exponierte Themen von der politischen Agenda verschwinden. Die ehemals beherrschenden Debatten über Zuwanderungspolitik und Regulation des Arbeitsmarkts mit ihren alten, abgenutzten Argumenten konnten auf lange Sicht mit der Anziehungskraft des feinen Pulvers nicht mithalten.
Zumal gerade in den Augen der Fürsprecher Schnee vor allem in den Monaten des Jahreswechsels das Land und eventuelle Probleme gnädig weiß umhüllt. Gegner des Schnees räumen zwar ein, dass diese Idee reizvoll, aber letztlich doch ein Trugschluss sei. Denn mit der Zeit würde der Schnee schlecht, sprich: schmutzig und altbacken, und müsse beseitigt werden. Das fabriziere neue Probleme, weil "der Staat dafür zusätzliches Geld in die Hand nehmen muss". Auch stelle sich die Frage, wie eine kontinuierlich erforderliche Neuanschaffung von Schnee gegenfinanziert werden solle.
Die Kontroverse lässt auch die fünfeinhalb Millionen Bewohner des Inselstaates nicht kalt. Hausgemeinschaften können sich nicht einigen, ob sie ihren Vorgarten mit oder Schnee ausstatten wollen, was sich in einem zweifelhaften Kompromiss niederschlägt: Schnee auf der einen Hälfte, freie Rasenfläche auf der anderen (siehe Bild 1, Schnee ist zur besseren Veranschaulichung blau eingefärbt).
Autonome Schneeräumkommandos arbeiten gewaltsam daran, das auf Wasserbasis erzeugte Pulver mit so genannten "Schneebrütern" zur Auflösung zu zwingen (Bild 2).
Gerade an diesem Akt ruchloser Gewalt zeigt sich, dass der Hauptakteur selbst bei der nicht endenden Schlagabtausch aus dem Blick geraten ist. So vermag er zwar bisweilen massenhaft und blütenweiß über das ganze Land herzufallen und sich stolz zu präsentieren. Doch bald schon liegt er verdreckt und getreten am Boden. Da hilft auch all die menschliche Wärme seiner Sympathisanten nicht, nein, sie schadet vielmehr.
Immer wieder sind es Einzelschicksale, die daran erinnern, dass es nicht darum geht, ob der Schnee kommen soll oder nicht: Denn er ist schon da. In diesen Tagen muss er wieder um Auslöschung fürchten. Müde und ausgezehrt sucht er Schutz unter Gestrüpp (Bild 3), während seine Artgenossen bereits sublimiert und in den Himmel aufgestiegen ist - ein Schicksal, das bald auch auf das Schutz suchende Häufchen Elend zukommt. Doch dann geht im Parlament die Debatte längst schon wieder von vorne los.

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